Donnerstag, 13. März 2008

So manipulieren Konzerne Wikipedia

In einer umfangreichen Recherche hat Malte Landwehr Manipulationen von deutschen Unternehmen an Wikipedia-Artikeln aufgedeckt. Demnach schreckt jedes 3. DAX-Unternehmen nicht davor zurück, eigene Artikel etwas aufzupolieren. Was unter Politikern schon fast zum Volkssport geworden ist, wird also nicht minder von großen Konzernen betrieben.
Na, ganz ehrlich, so ganz unerwartet war das natürlich nicht. Interessant ist allerdings, wie dreist und schamlos dabei vorgegangen wird. Es werden ganze Passagen gelöscht, um anschließend durch Texte aus eigenen Info-Broschüren ersetzt zu werden, Affären und Konflikte werden heruntergespielt oder Verbindungen zum NS-Regime verschleiert.

Um an fundierte Daten zu gelangen, nutzte der Informatikstudent einen Wikipedia-Scanner. Dieser war in der Lage, die IPs, von denen die Änderungen ausgingen, direkt auf die IP Ranges der Firmencomputer zurückzuführen. Das heißt natürlich nicht, dass es eine gezielte Manipulation durch das Unternehmen war. Es ist auch möglich, dass einzelne Angestellte aus Wohlwollen und ohne Mitwissen von Dritten gehandelt haben. Oder dass die Einträge durch öffentliche Firmen-PCs bearbeitet wurden. Ohne also etwas unterstellen zu wollen, handelt es sich dennoch um ein ziemlich häufig auftretendes „Phänomen“.


Zu BASF findet sich unter anderem folgendes Zitat:

„Ganz besonders bemüht war man, sich vom Bezug zu Hitler zu distanzieren.

Aus
'Im Zeichen von NS-Autarkiepolitik und Rüstungswirtschaft profitierte die IG Farben von Mengen- und Preisgarantien, aber auch von den durch die Regierung bereitgestellten Zwangsarbeitern.'

wurde:
'Im Zeichen von NS-Autarkiepolitik und Rüstungswirtschaft profitierte die IG Farben von Mengen- und Preisgarantien.“


Siemens ist sich scheinbar nicht zu schade, auch Werbetexte in Wikipedia zu veröffentlichen:

„Eine konsequente Innovations- und Qualitätspolitik bestimmt das Handeln und die Entwicklung des Unternehmens. Einer der wichtigsten Grundsätze der BSH ist, mit Neu- und Weiterentwicklungen von Produkten dem Gebraucher einen echten Mehrwert an Leistungsfähigkeit, Komfort und Bedienfreundlichkeit zu bieten. Dies geschieht mit der Überzeugung, dass das Vorantreiben neuer Technologien nicht nur Wettbewerbsvorteile und mehr Convenience für den Kunden schafft – sondern dass auch die Umwelt stets davon profitiert. Durch den Transfer von Know-how innerhalb der BSH-Gruppe werden weltweit Standards auch im Umweltschutz gesetzt. Die BSH bekennt sich zum Leitbild der Nachhaltigkeit und damit zum verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen. „


MAN oder Maus? Die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg ging alles andere als zimperlich mit ihren Einträgen um. So wurde der Absatz „Besitzverhältnisse“ komplett gelöscht. Genauso wie der Satz:
„Während des Zweiter Weltkriegs wurden im Werk Nürnberg auch Panzer vom Typ Panther gebaut.“


Zurückhaltung scheint auch der HypoVereinsbank ein Fremdwort zu sein:
„Der älteste Ast des Stammbaumes der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG zeigt, dass die Bank seit über drei Jahrhunderten für Tradition, Glaubwürdigkeit und Stabilität steht.“


Natürlich dürfen nicht alle Punkte aus dem Beitrag von Malte Landwehr überbewertet werden. Wenn ein Unternehmen schreibt, dass es das führende, statt eines der führenden ist, dann liegt das daran, dass es eben das führende ist. Sich damit zu brüsten ist ihr gutes Recht. Nicht alle Formulierungen, die für manch einen protzig klingen, sind auch automatisch manipuliert.

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